Bruce Springsteen DDR 1988
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Als der Rock’n’Roll nach Ost-Berlin kam: Bruce Springsteen live 1988!

In der DDR lief vieles anders – und restriktiver – als in der Bundesrepublik. Manchmal kamen aber auch Größen aus der westlichen Welt in das kleine sozialistische Land – so zum Beispiel Bruce Springsteen, der 1988 ein legendäres Konzert auf der Radrennbahn in Ost-Berlin gab. Für viele Besucher von damals ist und bleibt dieser Auftritt unvergessen. Und das nicht nur wegen der Musik: Der „Boss“ forderte sogar den Abriss der Mauer!

Reißt die Mauer ab!

Knapp 200.000 DDR-Bürger waren am 19. Juli 1988 Zeuge, wie der leibhaftige „Boss“ Bruce Springsteen die Bühne auf der Radrennbahn in Ost-Berlin betrat und die ersten Akkorde auf seiner Gitarre anstimmte. Dieser Moment war Gänsehaut pur – schließlich war ein solcher Auftritt in der DDR eine echte Seltenheit! Unter den Zuschauern war auch der damals 23jährige Bruno Remane, der nach eigner Aussage noch Tage später nicht glauben konnte, dass er wirklich den „Boss“ live gesehen hatte. Das knapp vierstündige Konzert beschreibt er wie einen Rausch, von dem er sich gewünscht hätte, er würde für immer andauern.

Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an Ein Beitrag geteilt von Pink Cadillac (@pinkcadillacmusic) am Sep 27, 2018 um 11:33 PDT

Für Remane und viele andere Zuschauer wurde mit dem Springsteen-Konzert ein Traum Wirklichkeit. Längst reichten vielen Musikfans die bekannten DDR-Bands wie die Puhdys oder Karat nicht mehr: Die Sehnsucht nach westlicher Rockmusik war nahezu unstillbar groß geworden. Das merkte auch die Regierung und stimmte überraschend zu, den „Boss“ in Ost-Berlin auftreten zu lassen. Zu diesem Zeitpunkt wusste noch niemand, dass die Mauer nur 16 Monate später endgültig fallen sollte.

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Kursänderungen der Staatsführung

Während sich die DDR-Staatsführung zunächst gegen alle westlichen Einflüsse und so auch gegen die Musik gesperrt hatte, fuhr sie nach und nach einen etwas weniger strengen Kurs. So waren die Rolling Stones bis 1982 in der DDR verboten; später durften dann ausgewählte Songs der Rockband im Radio gespielt werden.

Bruce Springsteen war dann einer der wenigen westlichen Künstler, denen ein Auftritt in der DDR erlaubt wurde – nicht zuletzt, weil die Regierung ihn als antikapitalistisch und Amerika-kritisch einstufte und entsprechend verkaufte. Apropos Verkauf: Insgesamt gab es 160.000 Tickets für das Konzert des „Boss“, die für 19,90 Ostmark über den Tresen gingen. Wer zu spät kam, musste auf dem Schwarzmarkt teils horrende Preise bezahlen, aber das war für viele Fans ohne Bedeutung: Wann bekam man schon mal die Chance, Bruce Springsteen live zu sehen?!

Anarchische Zustände

Nicht nur aus Ost-Berlin selbst, sondern aus allen Teilen des kleinen Landes kamen Rockfans zum Event. Und das sorgte für den größten Stau in der Geschichte der DDR! Michael John aus Erfurt erinnert sich nicht nur an das Schlangestehen beim Ticketkauf, sondern auch an eine nahezu unendliche Menschenmasse am Tag des Konzerts und an Zustände, die an Anarchie erinnerten – und das in der DDR! Trotz allem war das Konzert alles in allem eine friedliche Veranstaltung, auch wenn die Akustik zu wünschen übrig ließ und viele Zuschauer so weit von der Bühne entfernt standen, um wirklich etwas zu sehen. Aber wen interessierte das schon – auf das Dabeisein und die Atmosphäre kam es an!

Aus Sicht der Staatsführung ging es beim Konzert des „Boss“ natürlich nicht nur um Musik und Spaß. Die Regierung versuchte, das Event in eine Propagandaveranstaltung zu verwandeln und nannte es „Konzert für Nikaragua“. Und Bruce Springsteen selbst? Der erklärte von der Bühne aus (in ziemlich schlechtem Deutsch übrigens), er sei nicht für oder gegen irgendeine Regierung, sondern er sei gekommen, um Rock ’n’ Roll zu spielen – aber er hoffe, dass eines Tages alle Barrieren abgerissen werden. Was er damit meinte, war allen Anwesenden klar. In der Aufzeichnung, die im DDR-Fernsehen lief, fehlte dieser letzte Satz übrigens. Aber davor war er bereits von knapp 200.000 Bürgern gehört und verstanden worden.